Gaming ist wundervoll und hinterhältig

Gaming hat mein Leben nicht aktiv ruiniert – es hat mich schleichend davon abgehalten, es voranzubringen. Das ist das eigentliche Problem: Es zerstört nicht direkt, sondern hält uns davon ab, uns mit den wichtigen Dingen zu beschäftigen. Statt Probleme zu lösen, Verantwortung zu übernehmen oder für uns und andere da zu sein, flüchten wir uns in virtuelle Welten.

Gaming, Social Media, Shorts – all das ist nicht per se schlecht oder muss komplett aus dem Leben verschwinden. Es gibt aber Fallstricke und Problematiken die viel tiefer greifen, als es den Anschein macht.

Hallo erstmal: Ich bin Mischa, psychologischer Berater (BTB-geprüft) und Gaming-YouTuber. Früher hatte ich selbst ein massives Problem mit Gaming und Social Media – ohne es überhaupt zu merken. Vor allem, weil ich nicht verstanden habe, wie mein eigenes Gehirn funktioniert. Bringt einem ja auch keiner bei.

Mein Gaming Channel (MYSH auf Youtube)

Lass uns einen kurzen Crashkurs über das Gehirn und Gaming machen – und darüber, wie ich von "Ich bin ein Kind und zocke mir die Rübe weg" zu einem Gaming-YouTuber und Coach geworden bin. Heute betreibe ich zwei YouTube-Kanäle und arbeite als selbstständiger Berater. Gaming spielt immer noch eine Rolle in meinem Leben, aber keine dominante.

Die unterschwellige Gefahr

Ich hatte ab der siebten Klasse massive Probleme in der Schule. Ich bin in der neunten sitzen geblieben, habe nach der zehnten die Schule gewechselt und meine Abinote? Darüber spricht man hier nicht, das weiß doch jeder. Im Studium lief es ähnlich. Ich habe täglich gezockt und mich mit allem möglichen betäubt – vor allem mit gottlosen Mengen an Bier. Dazu ich habe geraucht wie ein kaputter, sibirischer Hüttenofen und natürlich gezockt bis ich sprichwörtlich umgefallen bin. Heute verstehe ich, warum das alles so passiert ist. Und wie unnötig schwer dadurch mein ganzes Leben geworden ist.

Heute mache ich nichts davon mehr. Ich trinke fast keinen Alkohol, rauche nicht, zocke nicht exzessiv und trinke nicht mal mehr Kaffee – und trotzdem (oder vielleicht genau deshalb) bin ich zufriedener als je zuvor.

Warum Gaming kein klassisches Suchtproblem ist

Gaming ist keine Sucht wie Alkohol oder beispielsweise synthetische Drogen. Es ist kurz gesagt ein Bewältigungsmechanismus, der außer Kontrolle geraten kann. Wenn man dich festbindet und dir drei Monate lang jeden Tag zwei Flaschen Schnaps einfülle, dann bist du hinterher körperlich abhängig von Alkohol. Mache man dasselbe mit Mario Kart anstatt Schnaps, man zwingt dich also 16h am Tag dasselbe Spiel zu Spiel, tritt sehr wahrscheinlich das Gegenteil ein: du würdest es nie wieder in deinem Leben sehen wollen. Das sind Extrembeispiele. Aber wie sieht bedenkliches Gaming im Alltag aus?

Stell dir vor, du kommst nach einem stressigen Tag nach Hause. Du willst abschalten und spielst eine Runde Call of Duty, Genshin, Stardew Valley oder was auch immer – oder scrollst durch Reels, guckst Shorts oder TikToks. Was passiert dabei im Gehirn? Grob gesagt: Deine emotionale Verarbeitung schaltet ab. Der Fokus verlagert sich nach außen, ins Spiel oder ins Video, während der ganze Stress des Tages in den Hintergrund tritt.

Das ist grundsätzlich nicht schlimm – wenn es in einem gewissen Rahmen bleibt. Eine kurze Auszeit kann sogar hilfreich sein. Aber genau hier liegt die Gefahr: Es ist verlockend, einfach weiterzumachen.

Je länger wir uns ablenken, desto weniger setzen wir uns mit den eigentlichen Problemen auseinander. Die unangenehmen Gedanken und Gefühle stauen sich auf, bis sie uns später überfallen – oft dann, wenn wir schlafen wollen. Falls wir überhaupt noch richtig schlafen. Und wenn sich dieser Kreislauf wiederholt, wird das echte Leben immer belastender, während die virtuelle Welt zur bevorzugten Realität wird.

Mein Weg durch und aus der Spirale

Ich bin in den 80ern aufgewachsen, also in einer Zeit, in der PCs und Konsolen noch neu waren. Mein Vater hatte schon 1985 einen Rechner zuhause, und für mich und meine Geschwister waren die Spiele darauf einfach nur faszinierend.

Mit sechs Jahren fing ich mit PC-Spielen an, mit neun hatte ich einen Game Boy, später ein Super Nintendo. Ich war regelrecht süchtig nach den Welten, die sich mir dort offenbarten. Später kamen dann Quake 3 Arena, hunderte Stunden in Starcraft, endlose Nächte in World of Warcraft während des Studiums dazu. Danach War Thunder, Smite bis ich alle Skills und die wichtigtens Builds aller Götter auswendig kannte – und irgendwann der Absprung.

Der kam nicht freiwillig. Ich wurde durch harte Lebensumstände gezwungen, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Es war eine extrem schwierige Zeit, aber ich hatte keine andere Wahl. Also habe ich Therapie und Coachings gemacht, Ärzte aufgesucht und radikal ehrlich mit mir selbst sein müssen.

Dabei wurde mir klar, dass Gaming für mich nie nur ein Hobby war. Es war ein Mechanismus, um Gefühle zu unterdrücken oder künstlich positive Emotionen zu erzeugen, der sich bereits in der Kindheit entwickelt und tief verankert hatte. Das Problem: Solche Strategien funktionieren im Moment, haben aber auf lange Sicht einen hohen Preis. Rückblickend hat mir diese Art der Vermeidung viele Türen verschlossen und das Leben schwerer gemacht, als es hätte sein müssen.

Die drei Phasen der digitalen Störung

Es gibt drei Stufen, in die man abrutschen kann:

  1. Unproblematische Nutzung: Man spielt oder scrollt, weil es Spaß macht.

  2. Vermeidungsverhalten: Man spielt oder scrollt, um unangenehme Gefühle zu unterdrücken.

  3. Kontrollverlust: Man macht weiter, selbst wenn es keinen Spaß mehr macht.

Der erste Schritt, um wieder Kontrolle zu gewinnen, ist herauszufinden, in welcher Phase man sich selbst befindet. Und das kann knifflig sein, weil oft ein Mix aus allen Möglichen Einflüssen und Verhaltensweisen vorliegt. Manche Spiele sind tatsächlich reiner Spaß, andere dienen als Verdrängung. Aber das ist ein Thema für einen anderen Blogeintrag.

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